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Best of Pai-chang (Hui-hai)

 (Aktueller Hinweis: Ajanta - älteste buddhistische Gemälde restauriert)

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Pai-chang Hui-hai (720-814), dem man nach seinem Tod den Ruf als Reformer des Klosterlebens andichtete, glaubte einige seltsame Dinge, z. B. dass die Verachtung anderer, die man erntet, die karmischen Wirkungen eigenen Fehlverhaltens aufheben könne. Auch auf Jäger und Fischer sah er ein wenig herab. Dies und die Tatsache, dass sich im Laufe meiner Übersetzungen viele Themen in den Schriften von verstorbenen Zenmeistern der vergangenen Jahrhunderte wiederholten, führte dazu, dass ich zuletzt einige nur noch selektiv ins Deutsche übertrug. Hier also nun bemerkenswerte Einsichten von Pai-chang, dessen Klassiker "Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen" von mir vor 16 Jahren über die Todesanzeige meines Vaters gesetzt wurde, der ebenfalls ein Schaffer war.

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"Was Gier und Abneigung genannt wird, wenn einer noch nicht erwacht und nicht befreit ist, das heißt erleuchtete Weisheit nach dem Erwachen. Darum sagt man: 'Er ist von dem Mensch, der er vorher war, nicht verschieden, doch sein Handeln ist anders ausgerichtet.'"

"Wenn der Geist nicht getrübt ist, dann gibt es keinen Grund, Buddha, Erleuchtung oder das Verlöschen des Leidens zu suchen."

"Das Nirwana-Sutra spricht von drei üblen Begierden: die erste ist die Begierde, von Mönchen, Nonnen und anderen Anhängern umgeben zu sein; die zweite die Begierde, jeden Menschen zu seinem Anhänger machen zu wollen; die dritte die Begierde, bei jedermann als Weiser und Heiliger bekannt zu sein."

"Wenn du den Buddha oder Erleuchtung suchst, ja, irgendetwas Existentes oder Nicht-Existentes, dann nennt man das: Scheiße hinein- und nicht hinaustragen!"

"Andere retten heißt: weder Buddhas noch Bodhisattvas lieben noch von der Gier nach irgendetwas Existentem oder Nicht-Existentem getrieben werden."

"Wenn man tief in sich überhaupt nichts sucht und überhaupt nichts erlangt, dann kann man ein großer Spender genannt werden."

"Am wichtigsten ist, zwei Augen zu haben und die Angelegenheiten beider Seiten zu durchleuchten. Die Göttin des Reichtums und das Mädchen der Dunkelheit begleiten einander, ein weiser Gastgeber lässt keine von beiden ein."

"Manjushri sagte: 'Der Geist ist wie leerer Raum, darum kann respektvoller Gehorsam sich auf nichts beziehen, die tiefgründigste Schrift weder gehört noch angenommen noch erhalten werden.'"

"Ein Buddha ist von fühlenden Wesen nur insofern verschieden, als er frei ist, zu gehen oder zu bleiben. Von Buddha-Feld zu Buddha-Feld zu gehen ist die ständige Übung der Erwachten."

"All die zahlreichen Dinge haben nie von sich aus von Leere gesprochen, von Form, von richtig und falsch, Beschmutzung oder Reinheit."

"Ein Buddha ist einer, der nicht sucht. Suche dies, und du wendest dich ab. Das Prinzip ist das des Nicht-Suchens. Suche es, und du verlierst es. Wenn du aber am Nicht-Suchen hängst, ist das genau wie Suchen; hängst du am Nicht-Tun, ist das wie Tun."

"Frage: 'Die Asketen von heute, die die Gebote empfingen, sind rein in Körper und Rede. Erlangen sie Befreiung oder nicht?'
   Pai-chang sagte: 'Ein klein wenig Befreiung. Doch sie haben noch nicht die Befreiung des Geistes und die Befreiung an allen Orten erlangt.'
   Frage: 'Was ist diese Befreiung des Geistes und an allen Orten?'
   Pai-chang erwiderte: 'Suche nicht nach Buddha, suche nicht nach Dhamma, suche nicht nach der Sangha. Suche keine Tugend, kein Wissen, kein intellektuelles Verständnis usw. Wenn die Gefühle von Beschmutzung und Reinheit beendet sind, hänge dich dennoch nicht ans Nicht-Suchen, halte dich nicht an einem Endpunkt auf, sehne dich nicht nach dem Paradies und fürchte die Hölle nicht. Wenn du sowohl von Fesselung wie Freiheit unbehindert bist, dann wird das die Befreiung von Körper und Geist an allen Orten genannt. 
   Du solltest nicht behaupten, ein wenig Disziplin zu haben, oder Reinheit von Körper, Rede und Geist, und das für hinreichend halten. Weißt du nicht, dass die unzähligen Tore von Disziplin, Konzentration, Weisheit und unnachgiebiger Befreiung nie auch nur mit einem einzigen Haar in Verbindung gebracht wurden?"

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"Weise suchen beim Geist, nicht beim Buddha. Narren suchen beim Buddha, nicht beim Geist."

"Frage: 'Mit welchen Mitteln kann man das Tor unserer Schule durchschreiten?'
   Pai-chang: "Durch dana paramita; dana bedeutet Verzicht: Verzicht auf den Dualismus der Gegenteile.'"

"Frage: 'Das Mahaparinirvana-Sutra sagt: 'Ein Übermaß an Versenkung (dhyana/ting) über Weisheit (hui) verschafft keinen Ausweg aus ursprünglicher Unwissenheit (avidya), während ein Übermaß an Weisheit über Versenkung dazu führt, dass man falsche Ansichten anhäuft. Wenn Meditation und Weisheit ausgewogen sind, sprechen wir von 'Befreiung'. Was ist damit gemeint?'
   Pai-chang: 'Weisheit meint die Fähigkeit, alle Arten von Gut und Böse zu unterscheiden. Versenkung bedeutet, in diesem Unterscheiden gänzlich unberührt von Zu- oder Abneigung zu sein. (...) Leer zu sein heißt frei von Anhaften zu sein, und diese Losgelöstheit macht das gleichzeitige Wirken von Weisheit und Versenkung möglich.'" 

"Die Buddha-Gebote beinhalten die vollständige Reinheit des Geistes. Wenn jemand diese Übung der Reinheit unternimmt und völlig unbewegt von sinnlichen Eindrücken bleibt, dann ist er ein Mensch, der die Buddha-Gebote einhält."

"Frage: 'Was ist die Meisterschaft im Lehren, aber nicht in der Übertragung?'
   Pai-chang: 'Sie bezieht sich auf Worte, die nicht mit Taten übereinstimmen.'
   Frage: 'Und was ist die Meisterschaft in der Übertragung und im Lehren?'
   Pai-chang: 'Sie beschreibt Menschen, deren Worte von ihren Taten bestätigt werden.'"

"Frage: 'Was ist mit dem Erreichbaren, das noch nicht erreicht wurde, gemeint, und was mit dem 'erreichten Unerreichbaren'?'
   Pai-chang: 'Mit dem Erreihbaren, das noch nicht erreicht wurde, ist die Rede gemeint, die nicht von Taten gestützt wird. Mit dem 'erreichten Unerreichbaren' sind Taten gemeint, die die Rede nicht wiedergeben kann. Erlangen Rede und Taten das Ziel, ist dies 'vollständiges Erreichen' oder 'doppeltes Erreichen'."

"Frage: 'Was bedeutet 'Der Buddha-Dharma löscht weder das Weltliche (yu wei) aus noch versinkt er im Morast des Transzendenten (wu wei)?'
   Pai-chang: 'Der erste Ausdruck bedeutet, dass der Buddha nie ein Phänomen ablehnte, vom Anfang seiner Suche bis zum Erwachen unter dem Bodhi-Baum und seinem Eintritt ins Parinirwana unter den Sala-Bäumen. Dies ist das 'Nichtauslöschen des Weltlichen'. Der zweite Ausdruck besagt, dass er trotz der Abwesenheit von Gedanken dies nie als Erlangen ansah, dass er trotz des Erreichens immaterieller und nichtaktiver Weisheit und des Nirwana diese Zustände nie als Errungenschaft betrachtete. Das ist gemeint mit 'nicht im Morast des Transzendenten versinken'."

"Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Berühren sind die fünf Stadien des Bewusstseins, die vervollkommnende Weisheit darstellen. Der Intellekt ist das sechste Stadium des Bewusstseins und wird zu tiefgründiger beobachtender Weisheit. Unterscheidende Achtsamkeit, das siebte Stadium des Bewusstseins, wird zu universeller Weisheit. Das Speicherbewusstsein (alaya) als achtes Bewusstsein wird zur großen Spiegelweisheit."

"Reinheit gilt für einen Geist, der bei nichts verweilt. Dies ohne das Auftauchen irgendeines Gedankens an Reinheit zu erlangen, wird 'Abwesenheit von Reinheit' genannt. Gleichzeitig bedeutet dieses Erlangen ohne einen Gedanken daran, frei von dieser Abwesenheit von Reinheit zu sein."

"Wie kann Parinirwana erreicht werden? Indem man alle samsarischen Handlungen meidet. Welche sind das? Zum Beispiel nach Nirwana zu suchen oder sich an Reinheit zu hängen, seine Erleuchtung und Erweise davon zu hegen und Regeln wie Gebote nicht abwerfen zu können."

"Wir sind noch nicht gestorben, was macht es da für einen Sinn, Wiedergeburt zu diskutieren?"

"In einem Sutra heißt es, der wahre Dharmakaya der Buddhas ist wie Leere: Er offenbart sich in
Antwort auf die Bedürfnisse der Lebewesen, wie der Mond im Wasser gespiegelt wird. (...) Wer seine eigene Natur erfahren hat, wird richtig liegen, ob er solche Dinge nun als Weisheit oder Dharmakaya bezeichnet oder nicht, denn er wird dessen Wirkung entsprechend den Umständen entfalten, ohne von dualistischen Konzepten von richtig und falsch behindert zu werden."

"Frage: 'Glaubst du, dass unbelebte Dinge Buddhas sind?'
   Pai-chang: 'Nein. Wären unbelebte Dinge Buddhas, dann könnte ein lebender Mensch einem toten unterlegen sein.'"

"Buddhaschaft kann nur durch den Geist verwirklicht werden."

"Das, was wahrnimmt, ist unsere eigene Natur. Ohne sie könnte keine Wahrnehmung geschehen."

"Frage: 'Enthält unsere eigene Natur Böses?'
   Pai-chang: 'Sie enthält nicht einmal Gutes.'
   Frage: 'Wenn das so ist, wie sollten wir sie ausrichten, wenn wir sie anwenden?'
   Pai-chang: 'Sich einzubilden, sie anwenden zu können, ist ein großer Irrtum.'
   Frage: 'Was sollen wir dann tun, um recht zu handeln?'
   Pai-chang: 'Es gibt nichts zu tun und nichts, was recht genannt werden kann.'"

"Sutren sind Schriften in einer bestimmten Anordnung. Wenn ich spreche, dann benutze ich bedeutungsvolle Worte, die keine Schriften sind. Die meisten Menschen verwenden beim Sprechen Worte aus den Schriften, doch die sind bedeutungslos. Um wirkliche Bedeutung zu erlangen, sollten wir über unstetige Worte hinausgehen. Der Dharma ist jenseits von Worten, Reden und Schriften. Darum vergessen all diejenigen, die nach Erleuchtung streben, das Benennen, sobald sie die wahre Bedeutung erfasst haben. Zur Wirklichkeit erwacht, werfen sie die Doktrin fort, so wie ein Fischer seinem Netz keine Aufmerksamkeit mehr schenkt, sobald er Fische gefangen hat, oder ein Jäger seine Falle vergisst, nachdem der Hase sich darin verfangen hat."

[Literaturempfehlungen] 
John Blofeld: Zen Teaching of Instantaneous Awakening (Buddhist Publishing Group 1995)
Thomas Cleary: Sayings and Doings of Pai-chang (Zen Center of Los Angeles 1978).

[Abb. Pai-chang: studysutra.org]

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